Physik - VON MAREN WERNECKE

KURZ-INFO +++ Physiker beschäftigen sich mit den Naturgesetzen +++ Mathe gilt als Grammatik der Physik +++ Neue Studiengänge verbinden das Fach mit anderen Disziplinen +++ Selbst gute Studenten müssen sich anstrengen +++ Die Jobchancen sind gut – Physiker gelten als »Allrounder« +++

Worum geht es?

Physiker beschäftigen sich mit den fundamentalen Prinzipien und Zusammenhängen der Natur: Sie untersuchen und beschreiben das Verhalten der kleinsten Teilchen, erforschen den Aufbau von Materie und versuchen, das Wesen des Universums zu verstehen. Sie entwickeln Materialien und Messmethoden, die dazu dienen, neue Technologien zu entwickeln. Ihre Dimensionen sind die Zeit und der Raum; immer geht es um Bewegungen, Wechselwirkungen und Energie. Die zentrale Vorgehensweise von Physikern besteht darin, die Gesetze der Natur mathematisch zu erfassen und so die Vorgänge auf unserer Erde und im ganzen Kosmos zu beschreiben.

Wie ist das Studium aufgebaut?

In den ersten Semestern folgt das Physikstudium einem straffen Stundenplan mit Vorlesungen, begleitenden Übungen und Laborpraktika. Dabei werden die drei Gebiete Mathematik, theoretische Physik und Experimentalphysik etwa zu gleichen Teilen behandelt. Später wählen die Studenten vertiefende Seminare und Spezialvorlesungen. Die Mathematik ist die »Grammatik« der Physik: Praktisch alle physikalischen Phänomene werden mathematisch beschrieben. Entsprechend viel Raum nimmt das Fach ein: Vier Stunden Analysis oder Lineare Algebra pro Woche sind in den ersten Semestern üblich. Zusätzlich bearbeiten die Studenten Übungsaufgaben und besprechen die Lösungen in Gruppen mit Studenten höherer Semester, die als Tutoren arbeiten. »Am Anfang war ich oft unzufrieden, weil wir Formeln und Methoden nur blind angewendet haben, ohne den Hintergrund zu verstehen«, sagt Nina Müller, die im vierten Semester Physik an der TU Dortmund studiert. »Aber langsam kommt das Verständnis, und ich sehe die Zusammenhänge – das macht Spaß.«

In der Experimentalphysik geht es um Mechanik, Elektrodynamik und Optik, Wärmelehre, Atom- und Molekülphysik, Festkörperphysik, Kern- und Elementarteilchenphysik und Quantenmechanik – Themen, die den Studenten oft aus der Schule vertraut sind. Allerdings ist das Niveau ungleich höher. In den Vorlesungen wer-den zahl-reiche Experimente vorgeführt. Beim Rechnen der Übungsaufgaben entwickeln die Studenten ein Gespür für Größenordnungen. Sie sollen lernen, Physik tatsächlich zu begreifen. Dazu dienen auch die Praktika im Labor, bei denen meist zwei Studenten gemeinsam Versuche durchführen. Im Grundpraktikum messen und analysieren sie zum Beispiel Pendel- und Kreiselbewegungen.

Die theoretische Physik dreht sich um klassische Mechanik, Elektro- und Thermodynamik, Quantenmechanik und Statistische Physik. Im Mittelpunkt der Veranstaltungen stehen mathematische Zusammenhänge, Herleitungen und Beweise. Sie werden in Übungsaufgaben nachbereitet.
Bei den Laborpraktika herrscht Anwesenheitspflicht, als Leistungsnachweis schreiben die Studenten Versuchsprotokolle. Der Stoff der Vorlesungen wird in der Regel am Semesterende in Klausuren geprüft; auch die Übungsaufgaben werden bewertet. »Trotz Experimenten und Praktika ist das Studium insgesamt sehr theoretisch«, sagt Nina Müller. »Aber mich fasziniert es, die Gesetzmäßigkeiten der Welt mathematisch auszudrücken.«

Die Bachelorstudiengänge sind in den meisten Unis ähnlich aufgebaut. »Allerdings zeigt sich bei den Wahl- und Ergänzungsveranstaltungen eine große Bandbreite«, sagt Gerd Ulrich Nienhaus, Professor für Angewandte Physik am Karlsruher Institut für Technologie und Sprecher der Konferenz der Fachbereiche Physik. Welchen Themen man sich nähern kann und welche Vertiefungsmöglichkeiten es gibt, hängt wesentlich von den Forschungsschwerpunkten des jeweiligen Instituts ab. Das Angebot reicht von Astrophysik über Quantenchemie bis zu Vorlesungen über Anwendungen ionisierender Strahlung.

Ebenso unterschiedlich verhält es sich mit den nicht physikalischen Nebenfächern, die Physikstudenten belegen: Während manche Unis sich auf Standardnebenfächer wie Chemie, Mathe und Informatik beschränken, können Studenten zum Beispiel in Heidelberg oder Frankfurt auch Wirtschaftswissenschaften oder Philosophie wählen.

In den Masterstudiengängen treten deutliche Unterschiede zutage: Hier setzen die Hochschulen entweder im Physik-Master eigene Schwerpunkte, oder sie bieten spezielle, oft interdisziplinäre Masterprogramme an. Das Angebot reicht von Biophysik (etwa in Bayreuth, Bielefeld und Berlin) und Geophysik (zum Beispiel in Bremen, Chemnitz, München und Münster) über Polymerwissenschaften (Dortmund, Halle-Wittenberg) bis zum Studiengang Photonics, bei dem sich die Studenten mit allem beschäftigen, was mit der Anwendung von Licht zu tun hat (in Karlsruhe oder Jena).

Neue Entwicklungen?

Nicht erst in den Masterprogrammen kann man fächerübergreifend studieren. In den vergangenen Jahren sind neben dem reinen Physikstudi-um viele Studiengänge entstanden, die die Physik mit einer anderen Disziplin verbinden. Es finden sich eigenständige Bachelorstudiengänge wie Bauphysik (an der Hochschule für Technik in Stuttgart), Biophysik (etwa in Berlin und Frankfurt), Medizinische Physik (Düsseldorf, Halle-Wittenberg), Wirtschaftsphysik (Ulm) oder Physikalische Technik (als FH-Studiengänge unter anderem in Berlin, Jena, Lübeck, Münster).

Biophysiker etwa beschäftigen sich mit der Funktionsweise von Kanälen in Zellmembranen oder mit der Thermodynamik von Stoffwechselvorgängen. Im Studiengang Wirtschaftsphysik übertragen die Studenten Theorien, Gesetze und Modelle der Physik auf Abläufe in der Wirtschaft und optimieren Prozesse.

Was und wie angehende Physiklehrer lernen, hängt von der Lehrerausbildung im jeweiligen Bundesland ab.

Eignung, Hürden, Irrtümer

»Für ein Physikstudium braucht man mathematisches Talent, sonst ist es die falsche Wissenschaft«, sagt die Studentin Nina Müller. Gerade in den ersten Semestern, die einem Mathestudium ähneln, benötigen die Studenten Durchhaltevermögen. »Es ist hart, stundenlang ohne einen Ansatzpunkt vor einer Aufgabe zu hocken«, sagt Müller.

Wer einen Leistungskurs in Mathe oder Physik belegt hat, dem fällt der Einstieg ins Studium leichter. Viele Unis bieten Studienanfängern Vorkurse in Mathe an, in denen sie ihr Wissen auffrischen können, bevor es losgeht. Denn in den Vorlesungen ist man schnell über den Schulstoff hinaus. »Selbst ein heller Kopf mit guten Noten im Abitur muss sich auf den Hintern setzen, um mitzuhalten«, sagt Gerd Ulrich Nienhaus.

Wer mit der Nachbereitung von Vorlesungen oder seinen Übungsauf-gaben schlampt, verpasst rasch den Anschluss, denn Vorlesungen und Seminare bauen aufeinander auf. Auch das hohe Maß an Abstraktion empfinden viele als Hürde. Etwa 30 Prozent der Studenten brechen – ähnlich wie in Mathematik und Chemie – in den ersten bei-den Semestern ab, weitere 20 Prozent später.
Viele Fachbücher und Aufsätze sind in englischer Sprache verfasst, bisweilen werden auch Lehrveranstaltungen auf Englisch gehalten. Insgesamt gilt: Wer sich durchbeißt, wird belohnt. »In den ersten Semestern fühlt man sich eigentlich ständig überfordert, wenn man etwas Neues lernt«, sagt Nina Müller. »Aber es passiert immer wieder, dass Dinge auf einmal völlig logisch werden. Das ist dann sehr befriedigend.«

Berufsfelder

Welche Chancen Bachelors auf dem Arbeitsmarkt haben, muss sich noch erweisen. Die Konferenz der Fachbereiche Physik und die Deutsche Physikalische Gesellschaft empfehlen, einen Physik-Master zu machen. Die meisten finden in der Industrie oder an Hochschulen und Forschungseinrichtungen Arbeit. Wer eine Karriere an der Uni oder an einem Institut plant, muss promovieren.

In der Wirtschaft bekommen Physiker überall dort einen Job, wo Unternehmen ihr Wissen über Stoffe und Naturgesetze nutzen wollen, um neue Technologien zu entwickeln – etwa in der Photonik-, Mikroelektronik- oder Energiebranche. Auch bei IT-Unternehmen sind Physiker gefragt. Genauso arbeiten sie für Beratungsunternehmen oder Banken und Versicherungen, für die sie zum Beispiel Risikoszenarien durchrechnen. Auch im Marketing, Controlling oder Vertrieb von Konzernen sind sie gerne gesehen. Physiker gelten als »Allzweckwaffen«, die dafür bekannt sind, dass sie analytisch denken können, Probleme strukturiert angehen und sich schnell in neue Aufgaben einarbeiten. Dass ihre Arbeit dann nicht mehr unbedingt etwas mit Physik zu tun hat, mindert ihre Beliebtheit nicht.


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