Die Brücke sagt, wo’s weh tut


Potsdamer Physiker arbeiten mit MIT in Massachusetts zusammen

POTSDAM - Der Zufall half nach. Der Doktorand Matthias Kollosche plauderte im März 2009 auf einer wissenschaftlichen Konferenz im US-amerikanischen San Diego mit Ausstellern am Stand des Unternehmens „Danfoss“. Das stellte erstmals dehnbare Kondensatoren her. Das sind Materialien, die aus sehr weichen Kunststoffen bestehen, die wiederum zwischen dehnbaren Elektroden liegen. Mit dieser Technologie kennt sich der Physiker Kollosche gut aus. Er arbeitet unter der Leitung des Physikers Guggi Kofod in dem Projekt „Kompakt“ mit. Die Gruppe entwickelt am Lehrstuhl für Angewandte Physik kondensierter Materie von Reimund Gerhard neuartige Kunststoffe, die als künstliche Muskeln bekannt wurden. Legt man eine Spannung an diese Stoffe an, verändern sie ihre Form. Darüber sprach Kollosche am Stand und zog die Aufmerksamkeit eines anderen jungen Wissenschaftlers auf sich.


Simon Laflamme war damals Doktorand am berühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, Massachusetts. Laflamme und Kollosche fanden im Gespräch schnell heraus, dass ihre Forschungsinteressen gut zusammenpassten. Während Kollosche die Grenzen der künstlichen Muskeln untersucht, sucht Laflamme nach Sensoren, die Veränderungen an bestimmten Bauwerken wahrnehmen könnten. Schnell wurde den Jungforschern und ihren Betreuern klar, dass sich die Prinzipien des einen auf das Problem des anderen übertragen ließen. Verformt man den künstlichen Muskel etwa durch Druck, ändert sich dessen Fähigkeit, elektrische Ladungen zu speichern. Das lässt sich messen. Ein dehnbares System dieser Art an Bauwerken angebracht, könnte Bruchstellen identifizieren. Damit war die Idee einer sensiblen Gebäudehaut geboren. Deren Veränderung könnte elektrisch abgelesen werden.

„Das System, das wir anstreben, wäre die Überwachung einer kompletten Brücke oder eines Staudamms“, sagt Kollosche. Das Neue: Die elektronische Haut würde mögliche Risse nicht nur registrieren, sondern ganz genau lokalisieren. Da die flexiblen Kondensatoren schon auf kleinste Bruchstellen reagieren, könnten Firmen auch eingreifen, bevor ein größerer Schaden entstünde.

Dass die sensible Haut im Prinzip funktioniert, konnten die Teams vom MIT und der Uni Potsdam in Tests in Potsdam und Massachusetts belegen. Vor gut einem Jahr entwickelten sie in Potsdam ein maßgeschneidertes Material, das für das Bauwesen geeignet wäre. Der letzte Härtetest fand im Oktober dieses Jahres an einem echten Bauwerk statt. Das System wurde mit Erfolg bei einer Brücke in der Nähe Des Moines im US-Bundesstaat Iowa eingesetzt. In den USA wurde inzwischen sogar schon ein Patent für das Verfahren beantragt.

„Wir können nun sagen, wo genau sich etwas im Bauwerk verändert hat“, sagt Kollosche, der zusammen mit Guggi Kofod und Simon Laflamme für das System mit einem Preis ausgezeichnet wurde. Die sensible Haut könne Kosten bei der Materialprüfung sparen und Reparaturen schon bei kleinsten Schäden einleiten. Es fehle nur noch eine Firma, die das Prinzip umsetze. Dann, meint Kollosche, könnte es mit der Entwicklung bis zur Marktreife eigentlich recht schnell gehen. (Von Rüdiger Braun)


Märkische Allgemeine

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